Vorstellungspodium critique’n’act am 10.12. beim OAT
7. Dezember 2015

Liebe Freund*innen und Gruppen in Dresden

Wir, die Gruppen e*vibes, Ausser Kontrolle, Undogmatische Radikale Antifa und gruppe polar, haben in Dresden critique’n’act gegründet. Für die Organisierung in einem bundesweiten Zusammenhang sind wir außerdem gemeinsam dem Bündnis »…umsGanze!« beigetreten.

Sicher gibt es viele (kritische) Fragen zu solch einem Bündnis. Wir finden linksradikale Organisierung in Dresden und darüber hinaus gerade in Anbetracht der rassistischen Zustände sehr wichtig. Wir wollen versuchen, emanzipatorische Politik in Dresden besser zu vernetzen und sichtbarer zu machen. Die lokale politische Arbeit und die Zusammenarbeit mit Euch bleibt für uns weiterhin wichtig und zentral. Daher laden wir euch ganz herzlich ein, unseren Zusammenschluss und den Beitritt zu »…umsGanze!« mit uns zu diskutieren. Kommt vorbei, wir möchten diesen Prozess gerne gemeinsam mit Euch besprechen und sind
gespannt auf Eure Fragen und Anregungen.

Solidarische Grüße,
critique’n’act
http://critiquenact.blogsport.eu/


Unsere Beitrittserklärung: Weil es auch in Dresden »…umsGanze!«  geht

Wir, die Gruppen e*vibes, ausserkontrolle, Undogmatische Radikale Antifa und gruppe polar, haben in Dresden critique’n’act gegründet. In dieser gruppenübergreifenden Föderation wollen wir linksradikale Akteur*innen in Dresden verbindlicher zusammenbringen. Für die Organisierung in einem bundesweiten Zusammenhang sind wir außerdem gemeinsam dem Bündnis »…umsGanze!« beigetreten. »…umsGanze!« wurde Ende 2006 gegründet, um linksradikale Gesellschaftskritik überregional zu organisieren und handlungsfähig zu machen. Wir wollen Teil dieses Bündnisses sein, um unsere lokalen Bezüge auch in bundesweiten Strukturen zu diskutieren und gerade in der aktuellen Situation direkter auf solidarische Verstärkung zurückgreifen zu können.

Das »…umsGanze!« Bündnis ist ein kommunistisches Bündnis. Und auch wenn sich viele von uns nicht als Kommunist*innen verstehen, teilen wir mit den in »uG« organisierten Gruppen die radikale Ablehnung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse. Ebenso verbindet uns die Auseinandersetzung mit der Kritik an der deutschen Vorherrschaft in Vergangenheit und Gegenwart, sowie am Antisemitismus. Diese Kritik umfasst auch die Tatsache, dass bisherige kommunistische oder realsozialistische Versuche, die Gesellschaft grundlegend umzugestalten – sofern sie nicht niedergeschlagen wurden – in autoritären Systemen mündeten: 60 Jahre realexistierender Staatssozialismus haben dafür gesorgt, dass emanzipatorische Alternativen zum Kapitalismus in Ostdeutschland nicht gerade hoch im Kurs stehen. Wir sind der Ansicht, dass es in der radikalen Linken eine tiefere Analyse und Auseinandersetzung mit der Idee und den Verwirklichungsversuchen des Kommunismus braucht, die über eine simple Kritik an „Stalin und dem Realsozialismus“ hinaus gehen muss. Wir haben mit einer solchen Auseinandersetzung begonnen und werden sie fortsetzen, denn die Kritik am Kommunismus sollten wir nicht den Antikommunist*innen überlassen. Um den Zynismus und die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems wissen wir. Und: wir müssen über konkrete Utopien und Praxen zur Überwindung des Kapitalismus diskutieren. Trotzdem die Idee des Kommunismus enorm beschädigt ist, können wir uns mit dem postulierten Ende der Geschichte nicht abfinden. Das Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen mit ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten Platz finden.

Die Auseinandersetzung mit materialistischem Feminismus bildet für uns eine wichtige Grundlage des Verständnisses von Gesellschaft und den Ausgangspunkt emanzipatorischen Handelns. Sie macht unter anderem klar: die Veränderung gesellschaftlicher Zustände funktioniert nicht ohne die Bewusstwerdung und aktive Kritik an der immer noch geschlechtlich orientierten Trennung zwischen Produktions- und Reproduktionssphäre, welche die Grundlage kapitalistischer Verwertung darstellt. Der Abwertung alles als „weiblich“ imaginierten, der Diskriminierung queerer Identitäten und alternativer Konzepte des Zusammenlebens stellen wir uns entgegen. Feminismus funktioniert nicht als „Anhängsel“ antiautoritär-kommunistischer Kapitalismuskritik, sondern stellt eine tragende Säule eben dieser Kritik dar. Auch wir sind Teil dieser Gesellschaft und müssen uns daher mit Strukturen von Herrschaft und Macht innerhalb unseres politischen Organisationsrahmens auseinandersetzen. Praktisch wird das beispielsweise, wenn es um die Frage geht wie viele Frauen* in unserer Föderation oder im Bündnis »…umsGanze!« organisiert sind, welche Aufgaben von wem übernommen werden, wie Verantwortung verteilt ist und wie wir miteinander kommunizieren. Dass wir von gesellschaftlichen Zuständen geprägt sind, steht außer Frage. Dass wir uns selbst reflektieren und Wege finden mit Herrschaftsverhältnissen umzugehen, sehen wir als Grundvoraussetzung eines gleichberechtigten Umgangs miteinander an. Mit der Mobilisierung gegen den Wiener Korporationsball, zum Frauen*kampftag am 8. März in Berlin und gegen die christlichen Fundamentalist*innen des Marsches für das Leben hat sich das »…umsGanze!« Bündnis den Kämpfen gegen das antifeministische, homophobe roll-back wertkonservativer Kräfte angeschlossen, welche die weiße, heterosexuelle Kleinfamilie als „Keimzelle der Nation“ gegen alle anderen Lebensrealitäten in S Stellung bringt.

Wir befinden uns in einer globalen Krise des Kapitalismus. Diese Krise hat für eine enorme Delegitimierung des kapitalistischen Systems gesorgt – so viel Kapitalismuskritik wie heute gab es lange nicht mehr. Umso härter wird gegen Abweichler*innen vorgegangen, die es wagen aus der neoliberalen Reihe zu tanzen. Einer unserer Schwerpunkte liegt auf der Krise des Kapitalismus, des rassistischen Populismus, der brutalen Rolle Deutschlands als Krisengewinner, Erzwingen der europäischen Austeritätspolitik und der damit einhergehenden Verarmung. Im Zuge der Wiedervereinigung und der zunehmenden Historisierend des Nationalsozialismus nimmt Deutschland wieder eine dominierende Position ein. Die deutsche Niedriglohnpolitik und die damit direkt verbundene Exportweltmeisterschaft haben die Arbeitsmärkte anderer EU-Länder destabilisiert. Das deutsche Modell, „den Standort” auf Kosten der Lohnabhängigen wettbewerbsfähig zu machen, wird inzwischen in der gesamten EU umgesetzt. Gestärkt durch den Gewinn aus der Krise sieht sich Deutschland auch wieder in einer Rolle, in der es als Großmacht agiert und vermehrt militärische Operationen lanciert.

Seit dem Sommer 2015 inszeniert sich Deutschland als Willkommensweltmeister gegenüber den Geflüchteten; die Hilfsbereitschaft antirassistischer Willkommensinitiativen wird prompt genutzt, um dem politischen Führungsanspruch in Europa eine moralische Lackierung zu verpassen. Doch Antirassismus ist mehr als „Refugees Welcome“. Geflüchtete stehen auf gegen ihre Diskriminierung in Deutschland, die rassistische EU-Außenpolitik und die Zerstörung ihrer Herkunftsländer. An diesen Kämpfen beteiligen wir uns. Wir unterstützen die Kämpfe von Refugees in Dresden genauso wie politische Rom_nja-Selbstorganisierungen.

Seit einem Jahr demonstriert Pegida wöchentlich durch die Dresdner Innenstadt, macht sie zum einen in diesen Stunden zur no-go-area für Menschen, die als nicht deutsch und/oder als politische Gegner*innen ausgemacht werden und fungiert zum anderen als Stichwortgeberin für »Nein zum Heim-Initiativen«. Aufgebrachte Anwohner*innen versammeln sich vor Unterkünften für Geflüchtete oder sorgen mit Blockaden dafür, dass diese nicht bezogen werden können. Brandanschläge und tägliche rassistische Angriffe sind die direkte Folge von Pegida. Dort sammeln sich alle, die sich mit den autoritären Ideen vom „Kollektiv des deutschen Volkes“ identifizieren, nicht zuletzt indem sie alles „Kollektivfremde“ rassistisch abwerten. Die verwirrten und rassistisch motivierten Individuen gehen im enthemmten Kollektiv auf. Sie sind nicht mehr zugänglich für Fakten oder Argumente, sondern ausschließlich für die allmontäglich vom Lautsprecherwagen gebellten Verschwörungen und Hetztiraden. Jegliche Empathie ist ihnen abhanden gekommen. Stattdessen demonstrieren sie für noch mehr Armut, Ausgrenzung und Abschottung. 25 Jahre CDU-Alleinherrschaft, zehn Jahre NPD im Landtag, die AfD, die neue Wähler*innenschichten erschließt, Pegida auf der Straße sowie rechter Terror gegen Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen – das sind die aktuellen Zustände in Sachsen. Dagegen braucht es Organisierung! In Dresden, in Sachsen, aber auch
darüber hinaus.

Derzeit wird der Ruf nach starken, souveränen Nationen nicht nur von rechts immer lauter. Der nationalistische roll back wird auch von vermeintlichen Linken gefordert. Dabei ist der Nationalstaat als Garant für begrenzten Wohlstand von den Entwicklungen des globalisierten, neoliberalen Kapitalismus längst überholt (was alle bisherigen Versuche zur Rückkehr zum fordistischen Kapitalismus zeigen). Außerdem ignorieren die nationalistischen „Linken“, dass es sich bei der Nation um ein Herrschafts- und Ausgrenzungskonstrukt handelt, das stets bemüht ist, die Kosten seiner Entwicklung auf andere, zumeist Länder der Peripherie abzuwälzen. Weil wir also jeglichen Nationalismus ablehnen, ist es für uns unerlässlich transnational zu kämpfen. Dabei gilt es, aus den Fehlern vergangener Ansätze zu lernen. Globale Solidarität und Aktivismus lassen sich nicht auf dem Reißbrett entwerfen, sondern können nur als stetiger Austausch und reflektierte Praxis gelingen. Die antiautoritäre Plattform „beyond europe“ ist für uns eine Möglichkeit, das in die Tat umzusetzen.

Wir haben uns entschlossen, eine Föderation zu gründen, denn die Antwort auf die Dresdner Zustände kann keine einfache „Gegen Nazis“-Strategie sein: Ökonomische, politische und soziale Ursachen der aktuellen regressiven Welle dürfen nicht ausgeklammert werden. Wir wollen die thematischen und praktischen Schwerpunkte unserer lokalen Gruppen zusammenführen und gemeinsam Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben, solidarische Alternativen aufzeigen und diese auf praktische Wege bringen.

Damit Kaltland keine Ewigkeit wird! critique’n’act — für ein schönes Leben in einer solidarischen Gesellschaft!

Solidarische Grüße,
critique’n’act