eine Veranstaltungsreihe im Herbst 2018
Zwar gelang es der Militärführung kurzzeitig, die Unruhen unter Kontrolle zu bringen sowie die Meuternden in Kiel und Bremen in Arrest zu nehmen – der revolutionäre Funke aber war entfacht. Spontan bildeten sich in Kiel Soldatenräte, die Unterstützung von sich solidarisierenden Arbeiter*innenräten erhielten. Gemeinsam errangen sie bis zum 5. November die Freilassung der Gefangenen und die Hoheit über die Stadt. Ein Anfang war gemacht.
Während große Teile der SPD unter ihrem Parteivorsitzenden Ebert die Schaffung eines liberalen Verfassungsstaats erstrebten, forderten vor allem die revolutionären Arbeiter*innenräte der Großstädte den politischen Systemwechsel zu einem gesamtgesellschaftlichen Wandel voranzutreiben und die sozialistische Räterepublik Wirklichkeit werden zu lassen. Sowohl SPD, als auch USPD waren anfangs bemüht, die Einheit der Arbeiter*innen als Grundlage ihrer Herrschaft zu erhalten. Schon im Dezember aber überlagerte der Konflikt über die Staats- und Gesellschaftsform die alltägliche Regierungsarbeit derart, dass ein Bruch der am 10. November von den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten bestätigten Übergangsregierung von SPD und USPD erfolgte.
Veranstaltungstermine
12. Oktober – 20 Uhr | AZ Conni | Lesung und Diskussion mit Bini Adamczak | Beziehungsweise Revolution – 1917, 1968 und kommende
in Kooperation mit dem Club der Verschwender*innen und critique ’n‘ act
Im Oktober 2017 jährte sich die Russische Revolution zum 100. Mal. Anlass genug, die Ereignisse von 1917 durch das Prisma 1968 zu betrachten und beide Revolutionen in ein Verhältnis wechselseitiger Kritik zu bringen. Während 1917 auf den Staat fokussierte, zielte 1968 auf das Individuum. In Zukunft müsste es darum gehen, die »Beziehungsweisen« zwischen den Menschen in den Blick zu nehmen.
»Beziehungsweise Revolution« analysiert die revolutionären Geschlechterverhältnisse als Verhältnisse, die zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, »Nahbeziehungen« und »Fernbeziehungen« geknüpft sind – das Geschlecht der Revolution. So tritt ein Begehren zutage, das nach wie vor seiner Realisierung harrt: das Begehren nach gesellschaftlichen Beziehungsweisen der Solidarität.
* Bini Adamczak lebt in Berlin und arbeitet als Autorin und Künstlerin zu politischer Theorie, queerfeministischer Politik und der vergangenen Zukunft von Revolutionen.
20. Oktober – 12 Uhr | AZ Conni | Workshop | Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie
Die Geschichte der kapitalistischen Produktionsweise ist vergleichsweise kurz, aber dennoch sehr beachtlich: gewaltige Kriege, ungeheurer Wohlstand neben der bittersten Armut, Städte mit abermillionen Einwohnern, die drohende Vernichtung des globalen Ökosystems. Bereits 1848 formulierten Marx und Engels im „Manifest der kommunistischen Partei” diese Vision der kapitalistischen Epoche: „Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen anderen aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neu gebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.”
Lasst uns daher gemeinsam versuchen genau dies tun – die gesellschaftlichen Beziehungen mit nüchternen Augen betrachten. Obwohl laut Marx und Engels die Menschen dazu gezwungen sind, ergibt sich hieraus kein Automatismus, denn getan wird dies in den aller seltensten Fällen. Auch dort wo eine kritische Untersuchung der gesellschaftlichen Beziehungen im Kapitalismus noch am ehesten zu leisten wäre, wie in den sozialen Bewegungen und ihren institutionellen Ausformungen, wird kaum Klarheit über die Verhältnisse hergestellt.
Daher möchten wir anhand einer Einführung in das „Kapital” zeigen, wie eine kritische und zugleich wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Kapitalismus aussehen kann. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen”. Mehr noch war Marx ein umtriebiger Revolutionär und mit der Einsicht in die innere Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise, so Marx, wird der Schein zerstört als sei diese Gesellschaftsformation irgendwie ’natürlich‘. Vielmehr zeigt sich, dass der Kapitalismus nur eine bestimmte historische Produktionsweise ist, und eine ziemlich verrückte, gewaltvolle und zerstörerische obendrein. Somit kommt Marx auch am Ende von ersten Band des Kapitals zu dem Schluss: „Auf einem gewissen Höhegrad bringt sie [die kapitalistische Produktionsweise] die materiellen Mittel ihrer eignen Vernichtung zur Welt. Von diese Augenblick an regen sich Kräfte und Leidenschaften im Gesellschaftsschosse, welche sich von ihr gefesselt fühlen.” (MEW 23, S. 789) Im Angesicht der gegenwärtigen Krisen ist daher ein genaues Verständnis des Zusammenhangs der Grundlagen der gegenwärtigen ökonomischen Gesellschaftsformation wichtig. Wir freuen uns auf euch!
23. Oktober – 20 Uhr | AZ Conni | Vortrag des Anarchistischen Netzwerk Dresden | Die Anarchist*innen und die Revolution
Der Kampf gegen Autorität und Zentralisierung prägten die Ideen anarchistischer Revolutionär*innen seit dem 19. Jahrhundert. Wir wollen in dem Vortrag einen Schwerpunkt auf die Ereignisse um die Oktoberrevolution legen. Auf der Spur der Anarchist*innen wollen wir über ihre Bedeutung für die Revolution reden und ihre damals zeitgenössische Perspektive auf das Scheitern. Der Verrat der Revolution führte zu massiver Repression gegen Anarchist*innen und Sozialrevolutionär*innen und der völligen Zerstörung der anarchistischen Bewegung in der Sowjetunion.
Dann erfolgt eine kurze Perspektive auf die Ereignisse in Deutschland zur Novemberrevolution 1918, die ohne die Ereignisse in Russland wohl nicht so stattgefunden hätten. Anarchist*innen waren auf unterschiedliche Weise in die revolutionären Ereignisse involviert. Doch der autoritäre Kommunismus breitete sich aus in der Welt der Arbeiter*innenbewegung nach der Oktoberrevolution und auch in anderen Revolutionen und Aufständen sind es die Anarchist*innen, die diesem zum Opfer fallen.
So ist der Untergang der anarchistischen Bewegung nicht nur der Repression kapitalistischer Staaten und Monarchist*innen des 19. Jahrhunderts sowie den beiden Weltkriegen zu verdanken, sondern auch dem autoritären Kommunismus des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte lehrt uns, dass der autoritäre Gedanke die Konterrevolution beinhaltet und damit zwangsläufig zum Scheitern der Revolution führt.
09. November – 19 Uhr | AZ Conni | Filmvorführung und Diskussion | Die Dichter und die Räterepublik – Spurensuche einer vergessenen Revolution
Die Räterepublik in München war einer von mehreren, in ihrer Intensität aber einer der weitreichendsten Versuche in Deutschland eine sozialistische Republik zu errichten. Beflügelt von den revolutionären Ereignissen in Ungarn übernahm die proletarische Bewegung in München ab April 1919 die Macht. An der Bewegung nahmen auch so namhafte Gestalten wie Gustav Landauer und Erich Mühsam teil. Doch auch diese Republik wurde letztlich durch ein Bündnis aus Mehrheitsozialdemokratie und Burgeosie niedergeschlagen – die militärische Eroberung Münchens endete in einem Blutbad, diejenigen die dem Massaker entgingen, wurden – so auch Erich Mühsam – zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Anhand einer Dokumentation wollen wir ins Gespräch kommen über die Bedingungen der damaligen Revolutionsversuche und ihr Scheitern.
14. November – 20 Uhr | kosmotique | Vortrag mit Daniel Kulla | Revolution in Deutschland 1918 bis 1923
Die Novemberrevolution 1918 hat es gerade so ins landläufige Geschichtsbild geschafft, zumindest unter Linken geht sie noch bis Januar 1919 weiter. Der Höhepunkt der revolutionären Bewegung im März 1919 ist hingegen unter den diversen historischen Siegererzählungen fast verschwunden, was auch die Rückschau auf die weiteren Massenstreiks, Sozialisierungen und Erhebungen bis 1923 sowie die Folgegeschichte prägt. (Nazis redeten nicht gern genauer darüber, wen sie da zusammengeschossen hatten und für wen; die SPD redete gar nicht gern darüber, auf wen sie die ersten Nazis so alles hat schießen lassen; die KPD redete nicht ganz so gern darüber, auf wen geschossen wurde, wenn es nicht ihre Leute waren oder sich zumindest als solche reklamieren ließen.)
So ist das wichtigste revolutionäre Vorbild in der deutschen Geschichte genau deshalb fast vergessen, weil es in so hohem Maß selbstorganisiert war und damit nicht in die übliche nationale wie antinationale Vorstellung vom Deutschen passt, sich weder für Vereinnahmung noch als Schreckbild anbietet. Gleichermaßen in Vergessenheit geraten sind die Konsequenzen: Sowohl der Aufstieg des Nationalsozialismus als auch sein konkretes Erscheinungsbild – mehr als bei jedem anderen Faschismus eine Verkleidung als Arbeitskräfterevolution – erscheinen ohne diese Vorgeschichte kaum begreiflich. Kulla schlägt vor, die kommenden fünf Jahre der revolutionären 100. Jahrestage ab November 2018 dazu zu nutzen, diese Geschichte so sichtbar wie möglich zu machen.
18. November – 12 Uhr | AZ Conni | Workshop mit Olaf Kistenmacher | Alle Macht den Räten? Linke Organisationsformen in der Weimarer Republik
Über den Jahreswechsel 1918/19 gründete sich die erste legale kommunistische Partei Deutschlands, die KPD. Sie ging aus dem Spartakusbund und anderen kommunistischen Organisationen, aber auch aus Splittergruppen wie der Antinationalen Sozialisten-Partei hervor. Auf dem Gründungsparteitag der KPD war es sogleich umstritten, ob eine radikale Linke eine Partei bilden soll, die sich zur Wahl stellt. Rätekommunistische Mitglieder betonten z. B., dass der entscheidende politische Kampf am Arbeitsplatz geführt werden müsse. Zum Ende der zwanziger Jahre, mit dem Erstarken der nationalsozialistischen Partei, wurden noch andere Organisationsformen wie die Antifaschistische Aktion wichtig, um sich zu schützen und den öffentlichen Raum nicht den Nazis zu überlassen. Der Workshop wird sich in kritischer Perspektive mit den verschiedenen linken Organisationsformen zur Zeit der Weimarer Republik auseinandersetzen.
Olaf Kistenmacher, Historiker, schreibt für die Jungle World, Konkret und Phase 2. Vor zwei Jahren erschien seine Dissertation Arbeit und „jüdisches Kapital“. Antisemitische Aussagen in der KPD-Tageszeitung „Die Rote Fahne“ während der Weimarer Republik.
5. Dezember – 19 Uhr | AZ Conni | Diskussion | Novemberrevolution – und weiter?
In der Diskussion wollen wir die Reihe revue passieren lassen. Was haben wir gehört und was haben wir nicht gehört? Welche Fragen kamen immer wieder auf und brauchen vielleicht mal mehr Zeit für Diskussionen? Und auf was können wir uns einigen? Gleichzeitig wollen wir auch endlich mal in die Gegenwart kommen und schauen was wir jetzt mit Novemberrevolution, Rätedemokratie und der Revolution so ganz allgemein anfangen können. Also für alle die dabei und vor allem auch die, dies nicht waren, kommt vorbei. Wir nehmen uns ca 3 Stunden inklusive Pause und Essen.
19. Dezember – 18 Uhr | Grüne Ecke | Spaziergang | Zum Leben Rudolf Leonhards
Ohne das wir genaueres zu ihrem Namensgeber wussten, haben wir uns die letzten Jahre Tag für Tag die Rudolf Leonhard Straße hoch und runter bewegt, mal erheitert und beschwingt, mal beschwipst und des öfteren auch reichlich angeschlagen. Nun wird es Zeit einmal Licht ins Dunkel zu bringen, wer war Rudolf Leonhard und warum ist unsere Straße nach ihm benannt? Wir verraten schonmal so viel, mit Dresden hatte er nicht viel am Hut, dafür aber umso mehr mit dem Thema unserer Veranstaltungsreihe. Auf unserm nicht sehr langen Weg durchs Viertel werden wir an ihn erinnern.
Organisatorisches
Die Veranstaltungen finden an zwei Orten statt:
- Alternatives Zentrum Conni, auf der Rudolf-Leonhard Straße 39, 01097 Dresden
- Kosmotique, auf der Luther Straße 13, 01099 Dresden
Das AZ Conni ist barrierefrei erreichbar über die Haltestelle Schanzenstraße und barrierefrei zugänglich. Die Kosmotique ist nicht vollständig barrierefrei betretbar. Alle Veranstaltungen sind kostenlos und wir kümmern uns nach Möglichkeit um Verpflegung für alle. Bisher sind alle Vorträge und Workshops in deutscher Sprache geplant, wenn ihr gerne kommen wollt und eine Übersetzung benötigt, schreibt uns, wir versuchen Übersetzung zu organisieren.