Novemberrevolution V
15. November 2018

Gestern haben wir einen sehr engagierten Vortrag von Daniel Kulla gesehen, der auch nochmal darauf hingewiesen hat, dass heute 100 Jahre Sozialpartnerschaft zu feiern wären, wenns da was zu feiern gäbe: https://www.classless.org/2018/11/15/100-jahre-sozialpartnerschaft/

Am Sonntag gehts dann weiter mit Olaf Kistenmacher und der Frage wie sich linke Strukturen in der Weimarer Republik eigentlich organisierten. Kommt vorbei!

Hier nun noch ein Beitrag von uns zu Sachsen in der Novemberrevolution, nur ein kleiner Überblick, aber vielleicht lest ihr da ja nochmal weiter.

Erste Schatten warf die Revolution in Sachsen, ähnlich wie in anderen Königreichen im April 1917. In Leipzig, wo die USPD wesentlichen Einfluss besaß, kam es am 16. April zu Arbeitsniederlegungen unter der Parole „Brot, Frieden, Freiheit“ von ca 30 000 Arbeiter*innen. Nach dem Scheitern der letzten deutschen Offensive im Sommer 1918 kam es zu großen Austrittswellen aus der Sozialdemokratie hin zur Unabhängigen Sozialdemokratie, vor allem im Bergbau zu wilden Streikaktionen und in Dresden demonstrierten am 14. September 20 000 Menschen gegen den Ernährungsnotstand. Die Regierung war nicht in der Lage diesen Protesten Einhalt zu gebieten, versuchte sie hinzuhalten und musste schließlich im Oktober Zugeständnisse an die parlamentarische Opposition machen.

Der erste Akt der Revolution 1918 in Sachsen war die Meuterei der Besatzung einer Fliegerkaserne in Großenhain am 6. November. Am 8. November kamen dann in Leipzig mehrere hundert
beurlaubte Soldaten an, welche sofort mit Demonstrationen begannen, ohne größere Auseinandersetzungen ist die Stadt noch am Abend in der Hand der Aufständischen, ein
Provisorischer Arbeiter- und Soldatenrat unter der Leitung von Funktionär*innen der USPD
übernahm die Regierung. Für den 9. November wird der Generalstreik ausgerufen.

Nach ähnlichem Muster fiel auch Dresden am 8. und 9. November unter die Kontrolle von Soldaten und Arbeiter*innen. Der König verließ die Dresdner Residenz und suchte Schutz in Moritzburg. In der Stadt bilden sich zwei Arbeiter*innen- und Soldatenräte, einer auf Initiative der Mehrheitssozialdemokratie, ein anderer als revolutionärer Rat auf Betreiben der USPD. Diese vereinigten sich schnell:

«Bürger, Arbeiter, Soldaten!

Die revolutionären Ereignisse haben sich überstürzt. Schlag auf Schlag ist die öffentliche Gewalt in die Hände des Proletariats gelangt.

Von Grund auf wird die Gesellschaft umgewälzt.

Beide in Dresden gegründeten Arbeiter- und Soldatenräte haben sich zu gemeinsamer Aktion vereinigt. Sie werden gemeinsam die Arbeit der kommenden Tage leisten. Die gesamte öffentliche und militärische Gewalt ruht in der Hand des Vereinigten Revolutionären Arbeiter- und Soldatenrats.

Bürger, Arbeiter und Soldaten! Vertraut dieser von euch selbst geschaffenen Institution, die euch verantwortlich ist.

Befolgt die Maßnahmen, die von dieser Stelle im Interesse eines geordneten, ungehinderten Fortschreitens der revolutionären Bewegung getroffen werden. Euer Vertrauen, eure Solidarität, eure Unterstützung verbürgen den Sieg.

Dresden, den 10. November 1918.

Der Vereinigte Revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat
gez.
Schwarz, Rühle» [1]

Im Anschluss an diesen Aufruf hissten Revolutionäre eine Rote Fahne auf dem Residenzschloss und trugen im Hoftagebuch des Königs ihren „Besuch“ ein:

»Sonntag am Tage der Revoloution [sic!] d. 10.11.18. Am heutigen Tage wurde auf dem bisherigen ›königl. Schloss‹ das Banner der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gehisst. Es war mittag 12:45 Uhr.« [2]

Am 10. November schließlich wurde der Freistaat Sachsen ausgerufen, drei Tage später fügte sich der König und verzichtete auf den Thron

Im Unterschied zu Leipzig war in Dresden die Mehrheitssozialdemokratie an den Räten stark beteiligt. Ihr Ziel war nicht die von den Linksradikalen um Otto Rühle und Auguste Lewinsohn erhoffte sozialistische Umwälzung, sondern der bereits begonnene Weg zur parlamentarischen Demokratie. So hielt sich die Euphorie über die Revolution nicht sehr lange, schon nach einer Woche konstatierten die „Internationalen Kommunisten Dresden“ ihre Mangelhaftigkeit und traten aus dem Vereinigten Revolutionären Arbeiter- und Soldatenrat aus. Ihre Begründung findet ihr hier: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/ruehle/1918/11/16.htm

Am 15. November konstituierte sich eine neue sächsische Regierung aus U- und MSPD. Am 18. November erschien ein Aufruf „An das sächsische Volk!“, welcher die Eingliederung Sachsen in eine einheitliche deutsche Republik und die Sicherung aller demokratischen Errungenschaften proklamierte. Der Weg Sachsens in eine parlamentarische Demokratie, unter Ausschaltung der Räte, war eingeschlagen. Einzig in Leipzig konnte die Ausschaltung der Kontrolle durch die Arbeiter*innen noch einmal kurzzeitig zurückgenommen werden: in Folge eines Generalstreiks in „Mitteldeutschland“ im Februar 1919 übernehmen erneut Arbeiter*innenräte die Leitung der Stadt. Als Ziel formulieren sice die Sozialisierung der Produktion. Zwar endete auch diese Episode, gekennzeichnet von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Bürger*innentum und Arbeiter*innen, schließlich mit der Besatzung durch die Reichswehr. Allerdings gab es auch noch in den folgenden Jahren immer wieder Aufstände und Streikbewegungen!

Ein umfangreicher Artikel zu Leipzig: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Manuskripte_85.pdf

Zu Dresden eine Dissertation, die sich aber mehr mit dem Krieg beschäftigt: https://d-nb.info/984485694/34

[1] https://www.marxists.org/deutsch/archiv/ruehle/1918/11/10.htm

[2] http://www.archiv.sachsen.de/download/Novemberrevolution_Dokument_08.pdf